Mein Fahrradanhänger und ich – eine Hassliebe
Kaum war er da, drehte sich alles um ihn: Ist der Kofferraum des neuen Autos groß genug? Hat die neue Wohnung einen geeigneten Stellplatz? Passt er durch die Tür des Kellers? Oder des Gartenhäuschens? Durch ihn gingen nicht viele Träume in Erfüllung, aber missen möchte ich ihn auch nicht mehr: Unseren Fahrradanhänger.
Hier mein Beitrag zur Blogparade von „reisekids„: „Radtouren und Radreisen mit Kindern“ – von Radträumen, Traumtouren und Wirklichkeiten“
Radtouren mit Kindern – vom Wunsch zum geplatzten Traum
Die Wirklichkeiten holten uns tatsächlich schnell ein. Fahrradsitz oder Fahrradanhänger? Es ist die erste schwere Entscheidung, die Eltern treffen müssen, wollen sie mit ihrem Kleinkind Fahrrad fahren. Wir entscheiden uns für den Hänger, hatte ich doch längere Touren geplant. Er ist bequem, schützt vor Sonne, Wind und Wetter – mal die Empfehlungen bei Stürzen und Unfällen beiseite gelassen. Wir beschließen, einen Doppelsitzer zu kaufen. Denn ein zweites Kind ist geplant.
Die erste Ernüchterung folgte sogleich. Genau genommen, nach dem wir durch die Tür des Mehrfamilienhauses getreten waren, in dem wir wohnten: Der Fahrradanhänger war zu breit für den Fahrstuhl. Er war zu breit für unsere Wohnungstür, er war zu breit für die Kellertür! Dank Schnellverschluss war ein Rad fix gelöst, die Maße passten jetzt Millimeter genau. Doch im Alltag war ich damit überfordert, einen Anhänger auf einem Rad inklusive Kleinkind durch das Haus zu jonglieren. So traurig es war, der Fahrradanhänger blieb zusammengeklappt im Keller. Der erste Traum war geplatzt.
Der Fahrradanhänger – Segen und Fluch
Das zweite Kind kündigte sich tatsächlich bald an – und ein Umzug – und ein neues Auto. Ich liebe den Minimalismus! Und so entschloss ich mich, den Fahrradanhänger, der immer noch sein trauriges Dasein im Keller fristete, als Doppelkinderwagen zu nutzen. Ab da drehte sich alles um diesen Anhänger: Passt er in den Kofferraum des gewünschten, neuen Autos? Hat die neue Wohnung einen Abstellplatz, an dem der Anhänger einem stets zur Hand ist?
Wir kauften eine spezielle Babyschale für Fahrradanhänger. Alles war vorbereitet…
Das Wunder geschah. Der Fahrradanhänger erwies sich als Segen: Das Neugeborene, dass im normalen Kinderwagen nichts als schrie, lag zufrieden im Hänger in seiner Babyschale und schlief und schlief und… guckte. An ganz anderer Stelle als erwartet, tat der Fahrradanhänger seinen besten Dienst.
Neue Hoffnung auf eine Radtour mit Kindern flammte auf. Ein Traum träumte sich weiter.
Radtouren mit Kindern – der Realität begegnen
Binnen Kurzem starteten wir unsere erste Familienradtour. Die Kinder waren drei Monate alt und knapp zwei Jahre. Die Tour: Circa 30 Kilometer lang, „Schön sachte anfangen!“, dachten wir, bevor sich erneut Ernüchterung breit machte – vor allem bei mir. Meine Fitness nach der Geburt hatte ich total überschätzt. Großspurig beharrte ich beim Start darauf selbst den Fahrradanhänger zu ziehen, war die Kupplung sowieso an meinem Rad festgemacht. Doch selbst mein halbwegs leichtes Rennrad vermochte es nicht das Gewicht des Hängers samt zwei Kinder wettzumachen. Ich mag gar nicht erzählen, wann wir die Kupplung an das Fahrrad meines Mannes bauten und damit unsere erste Radtour mit unseren Kindern letztendlich retteten. Der Traum küsste die Realität!
Ein halbes Jahr später begegnete mir die nächste mögliche Schwierigkeit, die bei Radtouren mit Kindern auftreten kann. Die Langeweile! Ich freute mich auf eine kleine Runde, nur ich mit den beiden Kurzen. Die Kondition war trainiert. Auf jeden Fall meine! Nach circa zwei Kilometern: Gejammer. Kind Eins überfiel die Langweile im Fahrradanhänger. Ich ließ mich auf eine Pause ein. Ein Ball wartete im Gepäck – Vorsorge hatte ich getroffen. Meine Freude nahm allerdings in gleichen Schritten zum Gequengel des Kindes ab. Keine Chance! Ich kapitulierte und trat den Rückzug an, beziehungsweise die Rückfahrt. Der nächste Traum von einer Radtour mit Kindern war geplatzt.
Radtouren mit Kindern – Aufgeben?
Es blieben die kleinen Touren: Zum Kindergarten, zu Freunden, zum Schwimmbad, zum Einkaufen. Unser Fahrradanhänger wurde erneut eine geliebte Hilfe. Statt Autotaxi Fahrradtaxi! Nur er selber weiß, wen oder was ich alles mit ihm transportiert habe. Und selbst das dritte Kind fuhr er zuverlässig als Baby und Kleinkind durch die Gegend.
Die älteren zwei Kinder lernten Fahrrad zu fahren. Kleine Touren zur Eisdiele in der nächsten Stadt wurden möglich.
Inzwischen können es alle drei Kinder, das Fahrrad fahren. Der Traum vom Mehr flackert wieder auf. Festgehalten auf einem Notizzettel an der Pinnwand in der Küche. „Ahrtalradweg“ steht darauf und „am Rhein entlang“ und „Moselschieferradweg“.
Gedanken mache ich mir: Wie lange können die Kinder überhaupt fahren? Wie gut ist deren Kondition? Und unsere (siehe oben)? Ab wann wird den Kindern langweilig? Wird es ihnen überhaupt langweilig werden? Beim Wandern kann ich sie und uns Eltern gut einschätzen – aber beim Fahrrad fahren?
Und dann wäre da noch der Wunsch von einer mehrtägigen Radtour. Ich mag ihn gar nicht fertig denken, aus Angst, erneut einer falschen Wirklichkeit aufzusitzen. Wirklichkeit und Träume liegen so nahe beieinander. Dies soll mich nicht davon abhalten, für die Träume zu kämpfen – auch die Radträume!
Plötzlich drehte sich alles um dich, doch ich möchte dich nicht missen. Träume kamen und gingen mit dir, platzten wie Seifenblasen – aber was konntest du dafür? Du warst uns Segen an ganz anderer Stelle als wir träumten: Du, unser Fahrradanhänger.
Deine Heike
Wofür habt ihr euch entschieden: Fahrradanhänger oder Fahrradsitz? Wo haben sie euch enttäuscht? Wo an ganz anderer Stelle geholfen, als ihr erwartet habt? Schreibt mir eure Geschichte im Kommentarfeld:
Sehr schön beschrieben wie es mit dem Kinderanhänger in der Realität ist.
Wir hätten die gleiche Träume, aber am Ende sind nur die Kurzstrecke (bis verrückten Sprints 12 km zur Pferdestallung in der Gegend) mit dem Kinderanhänger getan.
Nur einmal im letztem Sommer hat es mir gelungen meine Frau zu überreden und wir haben mit anderen Freunden und deren Kinder inkl. Anhängern / Kinderrädern eine Woche Radurlaub in tschechischen Wittingau gemacht.
Wir sind ein paar mal über 60 km pro Tag gefahren, aber es dauerte mehr als 10 Studen mit häufigen Pausen fast jede 5 km zum Erfrischung, Heidelberen sammeln, baden, Natur / Landwirtschaft anschauen, spielen, essen und alles was die Kinder eine gute Laune machen könnten.
Ein Tag sind wir mit Autos zum Klettergarten gefahren und am letzten Tag die Stadt selbst durchgeforscht (Stadtturm hochsteigen, Freilicht Theater für Kinder, Fischmuseum mit lebenden Fische).
Trotzdem habe ich später von unserer Tochter gehört dass Sie dort kein Spaß hat, denn sie müsste ständig im Kinderanhänger sitzen und schlaffen. Doch sie errinert sich auf viele schöne Momente wie baden und Co.
Leider könnte sie noch nicht gut Fahrrad fahren und Ihres Laufrad war recht nicht zum großen Aufwand geeignet.
In diesem Jahr wird bereits uns mit Ihrem Rad begleiten, was Ihr tatsächlich mehr Spaß macht.
Ich vermute, dass das Kind sollte nicht lang im Kinderanhänger sitzen bleiben bevor lange Weile eintritt. Und viel zu viel Pause nerft die Eltern.
Ein Kompromis zu finden ist selten, aber ich bin trotzdem sehr froh, dass ich wieder wie ein Traktor statt Profirenner (war damals) im Sattel tretten könnte.
Pingback:Zusammenfassung unserer Blogparade "Radtouren und Radreisen mit Kindern – von Radträumen, Traumreisen und Wirklichkeiten"
Pingback:Radtouren mit Kindern – Träume und Wirklichkeiten | Christliche Blogger Community
Wir hatten nur einen einfachen Hänger, in der das Baby in der Weberschale hing wie ein Schluck Wasser. Ging gar nicht… Später hingegen war uns der Hänger auf kürzeren Touren lieb. Und zum Einkaufen natürlich! Ich mag den Kindersitz aber mehr. Vor allem den vorn am Lenker, den wir im zweiten Lebensjahr benutzt haben. Wir hatten ihn aus Holland, hier ist deine glaub ich gar nicht zugelassen. Egal, der Junior fand das sooo toll vorn zu sitzen, alles zu sehen… zu klingeln *hust*. Nun freu ich mich auf die Zeit, wo alle selbst radeln.. ich finde deinen Bericht wunderbar authentisch! Liebe Grüße, Martha
Liebe Martha!
Da hast du ja ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich. Ich bin nun auch sehr dankbar, dass alle selber radeln können. Es gibt dann auch kein: „Ich möchte auch gefahren werden!“ 😉
Die Sitze vorne am Lenker finde ich toll, hatten wir früher als Kinder übrigens auch.
Liebe Grüße, Heike
Liebe Heike,
vielen Dank für diesen wirklich zauberhaften Beitrag, der so schön geschrieben ist. Man spürt förmlich den Zwiespalt deiner Gefühle. Als schon etwas gealterte Radmutter kann ich dich nur ermutigen an deine Rad-Träume zu glauben. Irgendwann werdet ihr zu eurer ersten richtigen Radreise aufbrechen und sie wird bestimmt unvergesslich schön. Denn – was lange währt, wird endlich gut!
Liebe Grüße
Christine von reise-kids
Liebe Christine,
danke für dein Lob und deine ermutigenden Worte. Wir tasten uns nach und nach heran.:)
Liebe Grüße
Heike